Die Gesichter von Stress

9. Januar 2023

Es heißt, Gesundheit sei die Abwesenheit von Krankheit. Doch sie ist viel mehr als nur das: Gesundheit ist eine wichtige Ressource, um genau das Leben zu leben, das wir uns wünschen – am allerliebsten möglichst stressfrei. Deshalb widmen wir uns in diesem Artikel der Frage, was Stress überhaupt ist und wie es uns gelingt, übermäßige Belastungen zu vermeiden, um mental und körperlich gesund zu bleiben.

Beitragsbild zum Thema Stress reduzieren der karriereschmiede Köln

Was ist Stress überhaupt?

Nach dem Transaktionalen Stressmodell von Lazarus entsteht Stress dann, wenn die äußeren Herausforderungen und die eigenen Ressourcen, die zur Bewältigung dieser zur Verfügung stehen, nicht übereinstimmen. Ein Beispiel: Hat jemand das Gefühl, dass seine Fähigkeiten, sein Wissen oder seine bisher angewandten Strategien nicht genügen, um das Problem zu lösen, kommt es zu Stress. Dabei ist Stress in dem Sinne kein Gefühl, es entsteht, wenn wir gegen Gefühle wie Trauer, Wut oder Angst ankämpfen.

Auch ist Stress nicht per se schlecht, er ist eine natürliche und äußerst positive Reaktion des Körpers, um Belastungssituationen zu bewältigen.

Was hat Stress mit der eigenen Bewertung zu tun?

Der Psychologe Richard Lazarus revolutionierte frühere Stresstheorien, indem er feststellte, dass die Entstehung von Stress sehr stark mit der subjektiven Bewertung einer Person zu tun hat. So können Stressoren, wie z.B. eine Bedrohung, ein Schaden/Verlust oder eine Herausforderung von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich aufgefasst werden. Sehen wir uns das an einem konkreten Beispiel an: Lea und Eva sind Kolleginnen und arbeiten seit Jahren gut miteinander. Plötzlich steht ihre Vorgesetzte vor ihnen und teilt ihnen mit, dass sie nun nicht mehr gemeinsam im Büro sitzen können und die Projekte umverteilt werden müssen. Das bedeutet kurzfristig Mehrarbeit für beide. Eva findet die Veränderung zwar nicht toll, besonders schade, dass sie nicht mehr mit Lea das Büro teilen kann, aber auf das neue Projekt hat sie sehr viel Lust. Es ist ein spannendes Thema, sie kommt raus aus der Routine, kann neues lernen und mehr Verantwortung übernehmen.

Lea reagiert anders. Sie verlässt nach der Ansage ihrer Vorgesetzten still das Büro. Noch fehlen ihr die Worte, so tief sitzt der Schock. Später dann im Auto, auf dem Weg nach Hause, bricht sie in Tränen aus. Eva und sie, das war ein Superteam. Jetzt soll sie allein dasitzen und ein neues Projekt stemmen, von dem sie gar keine Ahnung hat. Nicht, dass sie auch noch ihren Job verliert, weil sie die Erwartungen ihrer Chefin nicht erfüllen kann. Lea fährt rechts ran und sieht sich im Rückspiegel an: Ihr Gesicht ist blass, sie friert und ihr Magen tut weh. Schon jetzt ahnt sie, dass sie in den kommenden Nächten kaum schlafen wird…

Dieses Beispiel verdeutlicht, wie unterschiedlich die zwei Frauen mit ein und derselben Nachricht umgehen und sie individuell bewerten. Während Eva tendenziell positiv auf die Botschaft ihrer Vorgesetzten reagiert und ihrer eigenen Resilienz vertraut, bricht für Lea ihre Welt zusammen. Sie macht sich große Sorgen. Sie glaubt nicht an ihre Fähigkeiten oder ihre persönliche Widerstandskraft. Lea hat Angst zu versagen und fürchtet sogar eine Kündigung.

Wenn Stresshormone die Regie übernehmen.

Kommt Stress auf, bringt er einen Cocktail verschiedener Stresshormone mit, darunter Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin. Diese Hormone werden im Nebennierenmark gebildet und helfen unserem Körper, sich auf „Angriff“ oder „Flucht“ einzustellen (Fight-or-Flight-Syndrom FFS). Blitzartig läuft alles auf Hochtouren: Die Herz- und Atemfrequenz sowie der Blutdruck steigen, die Muskulatur wird angespannt, die Pupillen erweitern sich. Dank diesen und weiteren Reaktionen sind wir plötzlich in der Lage, Höchstleistungen zu erbringen, zu kämpfen oder wegzulaufen.

So weit, so gut. Aber was passiert, wenn wir im Dauerstress sind?

Vorsicht vor chronischem Stress

Hält der Stress an, sorgen wir für zu wenig Entspannung, dann wird der ganze Organismus überlastet. Professor Dr. med. Jörg Bojunga, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie konstatiert: „Dauerhaft hohe Adrenalin- und Cortisolspiegel im Blut können früh zu Schlafstörungen und Depressionen führen.“ Gleichzeitig stören die hohen Stresshormonspiegel die Regelkreise anderer Hormonsysteme im Körper. So habe die chronische Aktivierung der Stressachse eine hemmende Wirkung auf die Produktion der Geschlechtshormone Östrogen und Testosteron. Die Folge: sexuelle Unlust bei Mann und Frau. Frauen leiden zudem unter Zyklusstörungen bis hin zum unerfüllten Kinderwunsch. „Stress kann bei Frauen den Eisprung beeinträchtigen.“ Durch die Verbindungen der Stresshormonachse mit Regelkreisen des Immunsystems schwäche zu viel Cortisol zudem das Immunsystem. „Dies kann Infekte, Wundheilungsstörungen und Krebs begünstigen“, so Bojunga.

Eustress und Distress – Über positiven und negativen Stress

Wir können bis hier hin festhalten: Stress gehört in unser Leben. Die Frage ist nur, wie wir ihn gut managen können. Hier können wir uns drei Säulen vorstellen: Das „Instrumentelle Stressmanagement“, wo wir lernen, Zeit effektiver einzusetzen oder Prioritäten zu setzen, das „Mentale Stressmanagement“ wo wir an unserer Einstellung oder mit positiven Selbstinstruktionen arbeiten oder das „Regenerative Stressmanagement“ wo es darum geht, mit Hilfe von Entspannungstechniken oder Sport individuelle Bewältigungskompetenzen aufzubauen und dem negativen Stress, dem sogenannten „Distress“, die Stirn zu bieten.

Neben diesem Distress, gibt es auch hier die andere Seite der Medaille: den „Eustress“, den positiven Stress. Er ist ein guter Begleiter in unserem Leben und er tritt immer dann in Erscheinung, wenn Anspannungen, Konflikte oder Herausforderungen in der Luft liegen, die aber grundsätzlich lösbar sind. Beispiel: Du läufst einen Marathon. Das ist eine körperliche und mentale Riesenaufgabe, doch wenn du durchs Ziel läufst (vielleicht auch erst ein paar Stunden später J), wirst du belohnt von befriedigenden Gefühlen, wie Stolz, Achtung und einem gesteigerten Selbstbewusstsein. Nicht anders ergeht es dir nach Prüfungen oder Vorstellungsgesprächen: Du hast dich angestrengt, dein Ziel erreicht und gezeigt, wie selbstwirksam du bist.

Die Bedeutung von Stressoren

Wer in unserer Gesellschaft lebt, kann Stressoren, also Stressfaktoren, nicht aus dem Weg gehen. Das sind Reize, die von innen und außen kommen und Stress verursachen.

Hier ein Überblick mit Beispielen über mögliche Stressoren:

  • Überforderung oder Unterforderung
  • Termindruck/E-Mail-Überflutung
  • Mobbing am Arbeitsplatz
  • Zwang zur Freundlichkeit gegenüber Kund:innen
  • Streit in der Familie
  • Partnerschaftskonflikte
  • Schmerz/Krankheit
  • Fehlende Wertschätzung
  • Konkurrenzdruck
  • Diskriminierung
  • Jobverlust
  • Finanzielle Schieflagen
  • Schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen
  • Wenig Pausen, wenig Abwechslung
  • Lärm
  • Schlafmangel
  • Isolation/Einsamkeit

Hausgemachtem Stress auf der Spur

Wer sich mit seinem Stresslevel auseinander setzt, sollte sich fragen, wie viel eigener Anteil mit dabei ist, der dafür sorgt, dass Stress ausgelöst oder verstärkt wird. Mit dem eigenen Anteil sind innere Glaubenssätze gemeint, festgefahrene Meinungen oder Bewertungen. Ein persönlicher Stressverstärker kann ein inneres Streben nach Perfektionismus sein. Oder die Vorstellung, unersetzlich zu sein, ganz nach dem Motto: „Wenn ich nicht da bin, läuft nichts und die Welt bricht zusammen.“ Es gibt auch diese Persönlichkeiten mit einem enormen Harmoniebedürfnis. Sie gehen allen schwierigen Situationen aus dem Weg, haben Angst vor jeder Art von Konflikten und sind immer nett. Diese Haltung führt zu innerem Stress, sie setzen sich selbst unter Druck, dass bloß alles konfliktfrei läuft. Nicht unerwähnt sollte der eigene stressverstärkende Anteil von Personen bleiben, die ein hohes Maß an Ungeduld in sich tragen. Sicher, in Wirtschaft und Politik gilt es als Erfolgsfaktor, wenn alles schnell machbar wird. So werden Prozesse und Menschen angetrieben. Doch das mit Ungeduld vorangetriebene Funktionieren auf Knopfdruck, bringt für alle Beteiligten oftmals Unzufriedenheit und Enttäuschung mit sich…

Zwischenfazit: Es kann sich immer lohnen, den eigenen Stressanteil zu prüfen: Kommt der Stress tatsächlich von außen, bin ich ihm ausgeliefert oder ist da etwas in mir selbst – eben ein innerer Antreiber, eine Einstellung oder Glaubenssatz – der den Stress erst so richtig befeuert?

Festgefahrene Bewertungen hinterfragen

Wir können an dieser Stelle ein kleines Resümee ziehen: Das Empfinden von Stress ist individuell und hat viel mit persönlichen Bewertungen zu tun. Aber wie gelingt es nun, scheinbar fest verankerte, stressauslösende Haltungen, Einstellungen und Gedanken im besten Fall zu verändern? Eine Möglichkeit wäre, mit sich selbst einen Dialog zu führen und dabei Fragen zu stellen. Damit bringen wir „Bewegung in unseren Kopf“ (Kaluza, 2012, S. 128 ff.).

Fragen zu Chancen und Sinnorientierung, die den Blick auf das Positive lenken:

  • Was ist das Gute an dieser Situation?
  • Wozu ist das gut?
  • Wo liegen Chancen?
  • Was kann ich in dieser Situation lernen?
  • Welche Aufgabe habe ich in dieser Situation?
  • Welchen Sinn finde ich in dieser Situation?

Fragen zur Realitätstestung und zur Konkretisierung beschäftigen sich mit der Wirklichkeit einer Situation und nicht mit einer eigenen Interpretation:

  • Was genau ist eigentlich passiert?
  • Welche Beweise/Tatsachen sprechen für meine Sichtweise?
  • Wie sehen die anderen beteiligten Personen die Sache? Wie fühlen die sich?

Fragen zur Relativierung und Distanzierung helfen Menschen, die dazu neigen, aus Mücken Elefanten machen:

  • Wie werde ich später, in einem Monat oder in einem Jahr darüber denken?
  • Was denkt jemand, den die Situation weniger belastet als mich?
  • Wie wichtig ist diese Sache wirklich für mich?
  • Was ist wichtiger als diese Sache?
  • Wie sieht die Situation von einer höheren Warte aus?

Quelle: Kaluta, G., (2012). Gelassen und sicher im Stress. Das Stresskompetenz-Buch – Stress erkennen, verstehen, bewältigen. 4., überarbeitete Auflage. Heidelberg: Springer.

Augen auf, wenn sich diese Stresssymptome zeigen

Stress zeigt sich mit unterschiedlichen Symptomen und begünstigt u.a. Störungen des Hormonhaushalts, Diabetes Typ 2, entzündlichen Hauterkrankungen, wie Neurodermitis oder Psoriasis, Verspannungen und Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Depressionen und Burnout, Magengeschwüre, Sodbrennen oder Durchfall, Lebererkrankungen, Bluthochdruck und Schlaganfall. Wer diese Symptome bei sich bemerkt, sollte sie auf keinen Fall ignorieren, sondern handeln und sich um sich selbst kümmern. Immerhin hat jeder Mensch enormen Einfluss auf seine Gesundheit. So gibt es neben ärztlichen Rat auch ein breites Spektrum an Stressmanagement-Angeboten, darunter wissenschaftlich bestätigte und wirksame Methoden wie Meditation, Progressive Muskelrelaxation oder Yoga.

Bildquelle: Unsplash, Engin Akyurt

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